Ist Ihnen das auch aufgefallen? Bis zur letzten Minute der Öffnungszeiten der Geschäfte hasten wir durch die „stillste“ Zeit im Jahr. Und wie auf Knopfdruck wird es dann auf einmal ruhig. Die Strassen werden leerer und der „Weihnachtsfrieden“ breitet sich gnadenlos aus.
Auf einmal von der Hektik des Alltags und der von “Jingle Bells” und “Rudi, the rednosed Rendeer” niedergebügelten Sehnsucht nach Stille und Besinnlichkeit hinein in die erhoffte Weihnachtsidylle mit Partner und Kindern.
Weihnachten, das ist das gesellschaftlich verordnete Fest der Familie mit allen Ingredienzien an kindlichen Träumen und Wünschen. Weil da die Sehnsucht des Geborgenseins ist. Die Sehnsucht nach häuslichen Frieden. Die Sehnsucht nach Zusammensein. Der Wunsch nach dem Kuscheligen und dem Gemütlichen. Der Wunsch nach Weihnachten, so, wie man sich es früher eingebildet hat.
Und die Realität: Meist kühlt die Beziehungstemperatur, die unterm Jahr schon maximal lauwarm war, auf die Wärme eines Iglus herunter. Die Erwartungen hingegen steigen, vergleicht man diese mit den Temperaturen, mindestens auf Wellnessraum-Niveau.
Ein Scheitern ist also vorprogrammiert, vor allem dann, wenn man für die Herstellung des seelischen Wellnessklimas in erster Linie seinen Partner verantwortlich macht.
Alles in allem also eine Situation, die gerade zur Weihnachtszeit zu Konflikten einladen, denen man dann, weil ja genügend Zeit vorhanden ist, nicht einmal aus dem Weg gehen kann.
Aber was sind überhaupt die häufigsten Konfliktursachen und wie können wir diese vermeiden?
Zu viel Nähe:
Wir sind es nur schwer gewohnt mehr Zeit miteinander zu verbringen, als wir es im Alltag tun.
Und gerade zu Weihnachten steigt die Zahl der Stunden am Tag, wo wir miteinander Zeit verbringen.
Einerseits ist da die Freude, mehr Zeit miteinander zu haben, andererseits sind wir dieses oft alternativlose Miteinander nicht gewohnt. Vor allem Männer, die im Alltag eben mehr als acht Stunden aus dem Haus sind und wenn sie nach Hause kommen, nur sehr beschränkt den Lautstärkenpegel einer Familie mit zwei Kindern kennen, sind oft überfordert und erwarten sich von der Partnerin, das im Griff zu haben. Sie wiederum wünscht sich Entlastung und Unterstützung bei den Festvorbereitungen.
Was hilft:
Rechtzeitiges Planen, sich gegenseitig Entlasten und für alle frühzeitig auch Zeiten für sich selber einplanen. Einige Alltagsrituale auch über Weihnachten pflegen und pflegen lassen.
Unterschiedliche Erwartungen:
Jeder von uns hat unterschiedliche Erwartungen, wie und in welcher Form er die Weihnachtstage verbringen will. Wir glauben, dass wir die Erwartungen und Wünsche des Partners kennen und meinen, dass sie eh mit uns übereinstimmt. Das ist vielfach falsch.
Jeder hat für sich das ideale Weihnachtsfest im Kopf und möchte es so erleben. Und er hat in sich stimmige Gründe, warum es so zu sein hat.
Meist spießt sich das mit den Erwartungen des Partners. Zuerst wird noch um des lieben Friedens willen geschluckt, doch dann kommt es meist sehr rasch zu Konflikten.
Was hilft:
Dem Perfektionismus abschwören. Mehr Möglichkeiten des Improvisierens schaffen. Den Tagesablauf nicht vollpacken.
Einzuhaltende Traditionen:
Wie das Fest und die Tage danach ablaufen sollen, wird oft gar nicht hinterfragt beziehungsweise folgt ungefragt einem jahrelangem Ablauf. Und somit sind oft Konflikte wegen dieses Ablaufs dann plötzlich da, weil im Grunde genommen es keinem so wirklich passt, aber was kann man schon tun gegen Schwiegermütter und den Rest der Verwandtschaft. Dann doch lieber miteinander streiten, als mit den anderen.
Wir bringen Traditionen unserer Kindheit mit in die Beziehung und unsere Ursprungsfamilien möchten so viel an Tradition weiterleben wie möglich. Meist haben wir überhaupt keine Chance, unsere eigene Tradition mit unserem Partner und unseren Kindern zu entwickeln. Und somit sind Themen die mit „Das haben wir immer schon so gemacht…“ die ideale Einladung zum Streit.
Was hilft:
Stellen Sie bewusst einmal den Besuchsmarathon hinten an. Überlegen Sie sich zusammen mit ihrer engsten Familie, was Sie wollen und wie Sie es wollen.
Finden Sie eine gemeinsame Lösung und präsentieren Sie die dann auch gemeinsam Ihrer Verwandtschaft.
Weihnachten wird dann real und erlebbar zu einem Fest der Familie, wenn wir uns wirklich auf das Bescheidene, Unspektakuläre und Wirkliche besinnen und weniger darauf achten, was wir alles erfüllen müssen.
Weihnachten wird dann auch in der Partner- und Elternschaft schön, wenn man behutsam mit der Zeit und dem Partner aber vor allem mit sich selber umgeht.
In diesem Sinne wünsche ich Ihnen partnerschaftliche Weihnachten und einen positiven Blick für sich und Ihre Beziehung.
Autor dieses Beitrags ist Bernhard Moritz, Paar- und Sexualtherapeut aus Österreich.
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