Wie erkenne ich, dass ich es mit einer narzisstischen Person zu tun habe und ist eine Beziehung mit ihr überhaupt langfristig möglich? Liebling & Schatz klärt auf.
Inhalt:
- Was ist Narzissmus
- Wie erkenne ich Narzissmus?
- Welchen Ursprung hat Narzissmus?
- Welche Typen gibt es?
- Geschlechterspezifische Unterschiede bei Narzissmus
- Narzissmus bei Frauen
- Narzissmus bei Männern
- Wie gestaltet sich die Beziehung mit einem Narzissten oder einer Narzisstin?
- Wenn sich zwei narzisstische Menschen anziehen
- Woran kann ich noch erkennen, ob ich in einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten oder einer Narzisstin bin?
- Ist eine glückliche Partnerschaft möglich? Ein Fazit
„So ein Narzisst!“ – ein Urteil, das in der Gesellschaft vorschnell gefällt ist und ein Begriff, der beinahe inflationär verwendet wird. „Toxische Beziehungen“ sind in aller Munde und verhält sich der:die Partner:in in irgendeiner Weise negativ, wird dies nicht selten als „Red Flag“ abgetan. Doch wie fühlt es sich wirklich an, eine Beziehung mit einem Menschen mit narzisstischen Persönlichkeitsmerkmalen zu führen, können diese Personen überhaupt lieben und ist eine Partnerschaft mit ihnen langfristig möglich? Wir möchten mit diesem Beitrag eine Einschätzung in das komplexe Thema geben.
Was ist Narzissmus?
Um die Diagnose der narzisstischen Persönlichkeitsstörung (NPS) zu stellen, war noch bis im Jahr 2022 eine intensive Diagnostik von Fachleuten wie Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten oder Ärztinnen und Ärzten erforderlich. Inzwischen wurde der Narzissmus sogar gänzlich aus dem neuen ICD-11-Katalog (mit diesem internationalen Standardwerk werden Krankheiten diagnostiziert) gestrichen. Das bedeutet allerdings nicht, dass es keine narzisstischen Persönlichkeitsmerkmale gibt – was zu folgender Frage führt:
Wie erkenne ich Narzissmus?
Eines vorweg: Nicht jeder, der selbstbewusst und egoistisch handelt, ist gleich ein:e Narzisst:in. Bis zu einem gewissen Maße ist Narzissmus nur ein Begriff für ein gesundes Streben nach Selbstwert. Wenn dieses Streben beim Betroffenen selbst und seinem Umfeld jedoch zu Leiden führt, könnte es sein, dass dieser Mensch narzisstische Persönlichkeitsmerkmale hat. Hier einige Beispiele:
- Bedürfnis nach Lob und Aufmerksamkeit: Menschen mit narzisstischer Persönlichkeit suchen permanent nach Aufmerksamkeit und vertragen keine Form von Kritik. Sie möchten stets bewundert und gelobt werden.
- Einzigartigkeit: Betroffene möchten hervorheben, wie besonders sie sind, vor allem im Vergleich zu anderen.
- Ausnutzen: Um ihre eigenen Ziele zu erreichen, nutzen sie andere Menschen aus und manipulieren sie, sie streben immer nach persönlichem Gewinn. Wenn eine Person ihnen auf diesem Weg nicht dient, ist sie für Narzisstinnen und Narzissten uninteressant.
- Keine Empathie: Menschen mit narzisstischer Persönlichkeit sind kaum in der Lage, sich in andere hineinzuversetzen und deren Gefühle zu verstehen. Eine emotionale Verbindung zu einem anderen Menschen ist kaum möglich, weil sie ständig das Bedürfnis nach Selbstschutz haben.
- Eifersucht und Neid: Alle, die vermeintlich „besser“, erfolgreicher, schöner sind, werden als Bedrohung wahrgenommen.
- Arroganz: Narzisstinnen und Narzissten betrachten andere als lächerlich oder verachtenswert, denn sie wollen immer am besten und kompetentesten sein.
- Perfektionismus: Um sich nicht angreifbar zu machen, legen Narzisstinnen und Narzissten viel Wert auf ein makelloses Äußeres und Perfektion in jeglicher Hinsicht. Sie fantasieren häufig von unbegrenzter Macht, Intelligenz und Schönheit. Verantwortung übernehmen sie dabei aber nicht, falls doch einmal etwas nicht nach ihren Vorstellungen läuft – eben um die perfekte Fassade aufrecht zu erhalten.
Selbstüberschätzung und Überlegenheit: Betroffene glauben, dass sie mehr verdienen als andere. Übertreibung und ein übersteigerstes Gefühl der Selbstherrlichkeit sind bei Narzisstinnen und Narzissten an der Tagesordnung.
Welchen Ursprung hat Narzissmus?
Narzisstisches Verhalten hat seinen Ursprung meist bereits in der Kindheit und in der Erziehung. Dies ist von Fall zu Fall jedoch individuell. Häufig wurde bei narzisstischen Menschen das Bedürfnis nach Zuwendung und Aufmerksamkeit nicht bedingungslos erfüllt. Ihnen wurde nur dann Liebe gezeigt, wenn sie besonders waren oder eine bestimmte Leistung erbracht haben. Narzisstinnen und Narzissten kommen oft aus Familien, in denen es kaum körperliche Zuwendung, emotionale Wärme und Nähe gab. Auf der anderen Seite wurden Betroffene auf materieller Ebene häufig sehr verwöhnt, bekamen wenig Grenzen gesetzt und lernten nicht, auf die Bedürfnisse anderer zu achten. Schwäche oder Gefühle zeigen? Das war in der Kindheit nicht nur verpönt, sondern wurde manchmal auch bestraft. Häufig hatten Menschen mit einer narzisstischen Persönlichkeit selbst eine narzisstische Mutter oder einen narzisstischen Vater.
Welche Typen von Narzissmus gibt es?
Eine narzisstische Persönlichkeit kann sich bei den Betroffenen auf unterschiedliche Weise bemerkbar machen. In der Psychologie wird daher zwischen drei Arten von Narzissmus unterschieden.
Grandios-maligner Narzissmus
Dieser Typus kennt nur ein Ziel: Den eigenen Nutzen. Um seine Ziele zu erreichen, manipuliert er, ist exzentrisch und im Extremfall auch aggressiv. Dabei zeigen grandios-maligne Narzisstunnen und Narzissten wenig bis keine Empathie. Im Gegenteil: In einigen Fällen können sie sogar Freude daran haben, anderen Schaden zuzufügen oder sie zu erniedrigen.
Vulnerabel-fragiler Narzissmus
Betroffene mit diesem Subtyp wirken eher depressiv und ängstlich und sind daher nicht so einfach zu erkennen. Kritik und Fehlschläge kränken sie bis aufs Äußerste. Ihre Reaktion darauf richtet sich aber eher gegen sie selbst. Personen mit dem sogenannten verdeckten Narzissmus leiden oft selbst stark und suchen im Vergleich zu den anderen beiden Typen häufiger therapeutische Hilfe auf.
Exhibitionistischer Narzissmus
Exhibitionistische Narzisstinnen und Narzissten sind in der Regel leichter zu erkennen als die anderen beiden Arten von Narzissmus, denn sie setzen sich gerne besonders groß in Szene. Sie sind häufig sehr leistungsfähig, erreichen so ihre hochgesteckten Ziele und sind beruflich erfolgreich – hierfür sind sie aber auch ständig auf der Suche nach Lob und Bestätigung. Manipulatives Verhalten oder das Ausnutzen anderer bleibt nicht aus.
Geschlechterspezifische Unterschiede bei Narzissmus
Oft wird über Narzissmus als Persönlichkeitsmerkmal im Allgemeinen gesprochen, ohne die geschlechtsspezifischen Unterschiede zu beachten. Dies jedoch lässt den speziellen Blick auf die betroffenen Frauen außer Acht. „Beide Formen, die männliche und die weibliche, sind im Grunde zwei Seiten der Medaille und resultieren aus derselben Grundstörung eines verletzten und instabilen Selbsterlebens, zeigen sich aber in unterschiedlicher Weise“, wie es die deutsche Psychotherapeutin Dr. Bärbel Wardetzki in ihrer Gegenüberstellung des männlichen und weiblichen Narzissmus zusammenfasst.
Narzissmus bei Frauen
Frauen wirken – ähnlich wie beim männlichen Narzissmus – nach außen hin meist stark und überlegen. Narzisstinnen legen viel Wert auf ein perfektes Äußeres, sind sehr leistungsstark und haben hohe Ansprüche an sich selbst, denn sie leben regelrecht von der Anerkennung und Bewunderung durch andere Menschen. Doch hinter dieser Fassade verbirgt sich sehr viel Leid, ein geringes Selbstwertgefühl und Angst, nicht zu genügen. Depressionen und Angststörungen, aber auch Essstörungen und Suchtprobleme gehen häufig mit dem weiblichem Narzissmus einher. In Paarbeziehungen neigen Narzisstinnen eher dazu sich bis zur Selbstaufgabe anzupassen (Komplementärnarzissmus), um von ihrem Gegenüber anerkannt zu werden.
Narzissmus bei Männern
Ein zentrales Merkmal männlich-narzisstischer Menschen ist die Ich-Bezogenheit. Sie müssen immer die besten sein, um sich wertvoll zu fühlen wollen dabei die Kontrolle über alles und jeden erhalten. Sie zeigen sich freundlich und interessiert, aber nur so lange, wie die Person oder Situation einen Nutzen für sie hat – das gilt auch für ihre Partnerschaft, welche sie in den meisten Fällen dominieren. Oft beschränkt sich ihr Lebenssinn auf Arbeit, Status und Geldverdienen – ein kläglicher Versuch das Selbstwertgefühl zu bewahren.
Wie gestaltet sich die Beziehung mit einem Narzissten oder einer Narzisstin?
- Idealisierung
Gesellig, witzig, und charmant: Auf den ersten Blick wirken Narzisstinnen und Narzissten sehr anziehend auf potenzielle Partner:innen. Nicht selten berichten Klienten, dass die erste Dating-Phase mit einer narzisstischen Person wie berauscht gewesen sein soll. Das sogenannte „Love Bombing“ (regelrechtes überschütten mit Komplimenten, Geschenken, Versprechen und Aufmerksamkeit) ist beispielsweise eine manipulative Beziehungstaktik narzisstischer Personen, um einen Menschen schnellstmöglich von sich abhängig zu machen. - Abwertung
Ist man jedoch erst einmal in der Beziehung mit einer Narzisstin oder einem Narzissten, kann sich die Situation schnell ins Gegenteil verkehren. Werden die Bedürfnisse und Wünsche der narzisstischen Person nicht erfüllt, fühlt diese sich schnell abgelehnt und gekränkt. Sie haben nie richtig gelernt ihre Emotionen zu regulieren, so dass Wut, Zorn und Bestrafung des Partners oder der Partnerin die Folge sind. Letzteres geschieht meist auf psychischer bzw. emotionaler Ebene, auch passiv-aggressives Verhalten -> Link zum entsprechenden Blog-Beitrag ist bei narzisstischen Menschen keine Seltenheit.
Das Fremdgehen ist bei vielen Narzisstinnen und Narzissten ein Thema, wenn diese der Meinung sind, nicht genügend Anerkennung und Aufmerksamkeit innerhalb der Partnerschaft zu bekommen. Und man ahnt es schon: Natürlich sind sie – zumindest eine Zeit lang – raffiniert genug, um diese Affären geschickt zu verheimlichen.
- Lösen
Der untergeordnete Part löst sich entweder aus der Beziehung, weil das Leiden zu groß wird oder wird verlassen, weil er dem:der Narzissten/Narzisstin nicht mehr die Aufmerksamkeit und Bewunderung schenkt, welche diese:r so dringend braucht.
Zurückholen
Es ist möglich, dass der narzisstische Mensch seine:n Ex-Partner:in zurückerobern möchte, weil er die permanente Aufmerksamkeit, Bewunderung und Zuwendung, die er einst erhalten hat vermisst und wie die Luft zum Atmen braucht – geht der:die Andere darauf ein, beginnt der giftige Kreislauf von vorne.
Wenn sich zwei narzisstische Menschen anziehen
Finden männlich-narzisstische und weiblich-narzisstische Partner:innen zueinander, ergänzen sie sich anfangs sogar und führen zunächst eine augenscheinlich harmonische Beziehung, in der jede:r Bestätigung findet. Lässt die oben beschriebene, anfängliche Ekstase jedoch nach und der Alltag kehrt ein, entlarvt sich der männlich-narzisstische Part als egozentrisch, dominant und emotional missbräuchlich, während die Narzisstin ihrem Partner eher das Gefühl vermittelt, er sei nicht wichtig für sie. Eine:r der beiden (Komplementärnarzisst), wird versuchen sich bestmöglich anzupassen, um die Liebe zu erhalten, die er:sie sich gewünscht hat und um emotionale Ausbrüche des Gegenübers zu vermeiden. Eine absolut toxische Beziehung, die entweder irgendwann zerbricht, oder sich über Jahre hinzieht.
Woran kann ich noch erkennen, ob ich in einer toxischen Beziehung mit einem Narzissten oder einer Narzisstin bin?
In einer Beziehung mit einer:einem Narzisstin/Narzissten stellt der untergeordnete Part seine Wünsche, Bedürfnisse und persönlichen Grenzen immer hinter die desr:des Narzisstin/Narzissten. Folgen der täglichen Manipulationen und der ständigen Negativität in der Beziehung können beispielsweise ein geringes Selbstwertgefühl fehlendes Selbstvertrauen sein. Es gibt aber noch weitere Symptome, die Sie aufhorchen lassen sollten:
- Isolation
Narzisstinnen und Narzissten lieben die ungeteilte Aufmerksamkeit ihres Partners oder ihrer Partnerin. Aus diesem Grund fangen sie irgendwann damit an, den Familien- und Freundeskreis auf subtile Weise immer wieder zu kritisieren, bis Sie selbst keine Lust mehr haben, Zeit mit den Menschen aus ihrem Umfeld zu verbringen. - Verheimlichung des wahren Ich
Durch ständige Abwertung und Kontrolle haben Sie Angst, Ihr authentisches Ich zu zeigen. Sie hören irgendwann auf, Sie selbst zu sein, weil Ihnen Harmonie und Frieden wichtiger erscheinen, als für Ihre Bedürfnisse einzustehen. - Posttraumatische Belastungsstörung
Das Nervensystem kennt viele Wege, um Menschen vor traumatischen Erfahrungen zu schützen. Emotionaler Missbrauch wird von den Opfern selbst zunächst nicht wahrgenommen, sie erstarren, handeln irrational und spüren eher die körperlichen Auswirkungen. Ab dem dritten Monat mit folgenden Symptomen spricht man von einer posttraumatischen Belastungsstörung: - Überreizung: Schlafmangel oder starkes Bedürfnis nach Schlaf, Hochsensibilität, Herzrasen, Appetitlosigkeit, Reizbarkeit, Konzentrationsstörungen, Schreckhaftigkeit, Verspannungen, Schmerzen ohne organische Ursache
- Wiedererleben eines Traumas: Flashbacks und intensives Träumen
- Vermeidung der Verarbeitung: Emotionale Abstumpfung, Schuld bei sich suchen, Gleichgültigkeit, Alkohol- oder Drogenabhängigkeit
Ist eine glückliche Partnerschaft möglich? Ein Fazit
Eines ist klar: Die Beziehung mit einem:einer Narzissten/Narzisstin gestaltet sich als Herausforderung und wird wohlmöglich nie einfach sein. Wer selbstsicher ist, seine eigenen Grenzen kennt und wahrt, ist im Vorteil. Ob man echte und tiefe Liebe von einem narzisstischen Menschen erwarten und bekommen kann, ist jedoch fraglich.
Damit solch eine Beziehung gelingen oder gerettet werden kann, ist es wichtig, dass beide Partner:innen, auch der:die Narzisst:in, dazu bereit sind, Kompromisse einzugehen. Professionelle Hilfe, zum Beispiel eine psychotherapeutische Behandlung und eine paartherapeutische Angebote können narzisstischen Menschen dabei helfen, mehr auf die Bedürfnisse und Gefühle ihrer Partner:innen zu achten.
Wir von Liebling + Schatz begleiten Sie gerne dabei, diesen Weg zu gehen. Aufgrund unserer jahrelangen Praxiserfahrung wissen wir, dass es tatsächlich möglich ist, eine ungesunde Beziehungsdynamik zu heilen. Wenn Sie unsere Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie uns!
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