Was Paare sich oft so sehr wünschen: Zeit füreinander zu haben und Nähe. Jetzt haben wir das in diesen besonderen Corona-Zeiten im Übermaß. Paarantäne in der Quarantäne.
Was macht diese unfreiwillige und lange dauernde Nähe mit uns als Paar? Welche Gefahren birgt diese Paarantäne, also die Isolation der Paare, und welche Chancen kann sie auch bieten? Welche Konflikte und Eheprobleme treten zutage? Und mit welchen Strategien kann man die restliche Paarantäne-Zeit besser überstehen?
Probleme in der Beziehung werden deutlicher
Diese Situation ist wie ein Brennglas, unter dem die Probleme unseres Paarseins überdeutlich sichtbar werden. Sind wir als Paar prinzipiell gerne zusammen, unternehmen wir viel zusammen und brauchen wir nicht immer Freunde um uns herum, dann wird es uns erst einmal nicht ganz so schwer fallen, die Nähe auszuhalten. Gibt es aber prinzipiell viel Mecker-Potential, streiten wir häufig oder fühlen wir uns missverstanden, dann kann diese häusliche Isolation schnell eskalieren.
Der Partner ist schuld
Zu dem Gefühl des Lagerkollers, des Eingesperrtseins kann ja noch weiterer Stress hinzukommen: Angst um den Arbeitsplatz, die Gesundheit, finanzielle Nöte. Bereiten sie unter normalen Umständen schon schlaflose Nächte, liegen jetzt die Nerven blank. Das Problem dabei ist ja, dass wir uns nicht aus dem Weg gehen und den Stress nicht – oder viel weniger – durch körperliche Bewegung abbauen können. Der Grund für die schlechte Laune oder die Wut, die so entsteht, schieben wir dem Nächstbesten in die Schuhe, und das ist unser Partner. Hier kommt also die Paardynamik noch stärker zum Tragen, die sich eh schon bei einem Paar etabliert hat. Aber wie können wir die unterbrechen?
8 Tipps, wie Sie die Paarantäne gut überstehen können:
- Anders kommunizieren: Beobachten Sie sich, wie Sie mit Ihrer Partnerin kommunizieren. Bin ich eher der Kommentierer, die Meckerin, die Schweigerin, der Anblaffer oder der non-verbale Aggro-Typ? Fragen Sie Ihren Partner, wie es ihm damit geht – und überlegen Sie, wie Sie es künftig ein bisschen anders machen können.
- Wenden Sie die „5 zu 1“-Formel an: John Gottman, der amerikanische Psychologe hat die „5 zu 1“-Formel herausgearbeitet. Das heißt, dass Sie zueinander fünfmal so häufig höflich, freundlich, herzlich, dankend sein sollten als kritisierend. Erst dann haben wir die Kritik verarbeitet.
- Nähe entsteht durch Distanz. Dieser Satz der amerikanischen Paartherapeutin Ester Perel macht deutlich, dass jeder auch mal Zeit für sich braucht, um wieder Zeit mit dem Partner verbringen zu wollen – oder ihn attraktiv zu finden. Noch dazu, wenn Sie beide zu Home Office verdonnert sind. Gehen Sie sich also bewusst auch aus dem Weg. Arbeiten Sie in verschiedenen Zimmern, gehen Sie alleine raus oder joggen oder einkaufen.
- Struktur gibt Halt: Damit Ihre Situation nicht aus dem Ruder läuft, schaffen Sie sich Struktur. Vereinbaren Sie eine Aufstehzeit (gemeinsam oder jeder für sich), besprechen Sie, wann Sie essen und wer kochen wird, halten Sie Mittagspausen ein und reservieren Sie sich Zeit für ein bisschen Workout oder einen Spaziergang.
- Bewegung baut Stress ab: Es ist wissenschaftlich bewiesen, dass Bewegung das Stresshormon Cortisol abbaut. Also lasst uns unseren inneren Schweinehund überwinden und uns intensiv bewegen! Workout-Apps gibt es genug, auch Joggen auf der Stelle oder laut Musik anmachen und tanzen – Hauptsache, Sie schaffen 15 Minuten pro Tag.
- Was läuft gut, was soll sich ändern? Machen Sie jeder für sich eine Bestandsaufnahme, am besten auf große Zettel, was gerade gut läuft und was sich ändern sollte, um gut durch die Situation zu kommen. Vergleichen Sie beide Ihre Karten und sprechen Sie darüber. Das schafft Transparenz, ermutigt bei den guten Sachen und schafft Sensibilität für die kritischen Punkte.
- Freunde einladen – virtuell: Zeit zu zweit kann auch langweilen. Die Freunde dürfen zwar nicht tatsächlich zum Abendessen kommen, aber per Video-Chat. Die haben meist ja auch nichts anderes vor in der Zeit und können diesmal vielleicht sogar spontan dabei sein. Wenn Sie sich darauf einlassen und über einen großen Bildschirm chatten, werden Sie erstaunt sein, wie intensiv die Gespräche sein können.
- Post- und Mailgeheimnis gilt auch jetzt. Sich mit einer vertrauter Person auszutauschen und über Dinge zu reden, die nicht für die Ohren unseres Partners bestimmt sind, ist völlig in Ordnung. Auch wenn einer von uns etwas intensiver am Handy hängt, ist das kein Grund, nachzuspionieren oder gar reinzuschauen. Haben Sie ein komisches Gefühl, dann sprechen Sie das Thema direkt an.
Vor der Eskalation Hilfe per Telefon
Ob es jetzt in der Zeit der erzwungenen Nähe passt, alle Konflikte zu besprechen, hängt davon ab, wie gut ein Paar miteinander in Kontakt ist. Man muss es ja aushalten und ertragen können, sich etwas vom Partner anzuhören, sich mit dem Konflikt auch tatsächlich auseinanderzusetzen. Deshalb sollte jeder für sich lieber abwägen, was beide jetzt verkraften können. Für die Beziehung kann es entspannend wirken, wenn sich jeder fragt, was er für sich bräuchte, was er jetzt täte, wenn er alleine leben würde. Wenn der andere ihm diese Freiräume gibt, entzerrt das die angespannte Situation. Vielleicht kann der Partner dieser vermeintlich neuen Facette was abgewinnen. Wenn es gar nicht anders geht, müssen die Dinge auf den Tisch. Wenn es zu brenzlig wird, kann man sich auch in diesen Zeit Unterstützung holen. Viele Therapeuten bieten jetzt Beratung per Telefon, Skype oder Zoom an. Das nimmt den Druck raus und verschafft uns neue Strategien im Umgangs miteinander.
Neue Facetten beleben die Beziehung
Selbst Paare, deren Beziehung auf einem festen Fundament steht, werden in der Paarantäne neue Facetten an ihrem Partner erleben. Über manche werden wir uns freuen. Und trotzdem wird es Züge geben, die uns irritieren. Das bringt eine wichtige Distanzierung in die Beziehung. Irritation macht aufmerksam, wachsam und neugierig. Die Spannung, die dadurch entsteht, wird dabei vielleicht in neue Energie umgewandelt. Wenn durch diese Energie neue Intimität und Sexualität entsteht, hat die Paarantäne durchaus etwas gebracht.
In diesem Sinne: Bleiben wir alle wachsam, neugierig – und vor allem gesund.