Sich bis zur Erschöpfung für den:die Partner:in aufopfern und sich für ihn:sie verantwortlich fühlen – dieses Verhaltensmuster hat einen Namen: Das Wendy-Syndrom. Doch wie erkennt man es und was kann man dagegen tun? Liebling & Schatz klärt auf und zeigt Wege aus der Hilfefalle.
Inhalt:
- Was ist das Wendy-Syndrom
- Warum kann das Verhaltensmuster problematisch sein?
- Anzeichen für das Wendy-Syndrom
- Ursachen des Wendy-Syndroms
- Das können Betroffene tun
- Fazit
Anja und Elias kommen abends völlig erledigt von der Arbeit nach Hause – beide hatten einen sehr stressigen Tag. Dennoch ist Anja diejenige, die das Abendessen kocht, aufräumt und schließlich noch die Hemden ihres Mannes bügelt, während er sich auf dem Sofa erholt. Das läuft bei den beiden eigentlich immer so. Die junge Frau hinterfragt die Abläufe nicht wirklich, merkt aber, dass sie seit einer Weile mental und körperlich ziemlich erschöpft ist…
Hier haben wir es mit einem klassischen Fall des sogenannten „Wendy-Syndroms“ zu tun – einem Verhaltensmuster, dem vor allem Frauen in Beziehungen verfallen und schon fast die Mutterrolle für ihre:n Partner:in übernehmen. Warum diese Beziehungsdynamik so ungesund ist und was man sowohl als Betroffene und auch als Paar dagegen tun kann, möchten wir uns in diesem Beitrag einmal genauer anschauen.
Was ist das Wendy-Syndrom?
Das Wendy-Syndrom betrifft Menschen, meist Frauen, die sich übermäßig um andere kümmern und dabei ihre eigenen Bedürfnisse permanent zurückstellen. Dies kann dazu führen, dass die Person selbst unglücklich ist und unter starkem Stress steht.
Der Begriff „Wendy-Syndrom“ geht übrigens auf die Figur Wendy aus dem Film Peter Pan zurück. Sie ist bekannt für ihre Fürsorglichkeit und ihr sensibles Wesen. Sie reist mit Peter Pan* ins Nimmerland und übernimmt dort sehr schnell die Mutterrolle für die Gruppe.
*Nicht umsonst spricht man auch bei erwachsenen Männern, die emotional Kind geblieben sind, vom Peter-Pan-Syndrom: Denn Peter Pan weigert sich, selbst erwachsen zu werden und Verantwortung für sein Handeln zu übernehmen.
Tatsächlich ist das Verhältnis von Peter Pan und Wendy tägliche Realität in vielen Beziehungen. Dabei unterstützt die Frau den Mann in jeder Lebenslage und denkt für ihn mit. Sie opfert sich für ihn auf, übernimmt sehr viel Verantwortung und – selbstredend – auch den Haushalt, sodass er sich um nichts kümmern muss.
Warum kann das Wendy-Syndrom problematisch sein?
Frauen, die unter dem Wendy-Syndrom leiden, vernachlässigen ihre eigenen Grenzen und Bedürfnisse, geben eventuell für den:die Partner:in sogar ihre finanziellen Ressourcen auf. In den meisten Fällen ist das den Betroffenen gar nicht bewusst, denn sie tun dies aus voller Überzeugung, Liebe und einem starken Harmoniebedürfnis.
Das Gefährliche an dieser ungesunden Beziehungsdynamik:
- Sie verstärkt die beidseitige Abhängigkeit und schwächt das Selbstwertgefühl beider.
- Ein gesundes Gleichgewicht beider erwachsener Partner gibt es dabei aber nicht, was irgendwann doch zu Unzufriedenheit oder Konflikten in der Beziehung führen kann.
- Bei den Frauen hat die oft jahrelange Aufopferung nicht selten die absolute Erschöpfung, ein Burnout oder Depressionen zur Folge.
- Im Falle einer Trennung, erkennen die Betroffenen meist schmerzlich, dass sie sich über Jahre selbst vernachlässigt haben.
5 Anzeichen für das Wendy-Syndrom
Es gibt einige Symptome, die darauf hindeuten, dass Sie möglicherweise vom Wendy-Syndrom betroffen sind – testen Sie sich selbst:
- Sie fühlen sich für die Gefühle anderer verantwortlich: Wenn es anderen nicht gut geht, spüren Sie das sofort. Häufig übertragen Sie das auf sich und fragen sich, ob Sie etwas falsch gemacht haben. In jedem Fall möchten Sie alles tun, damit Ihr Gegenüber wieder glücklich ist.
- Es fällt Ihnen schwer, sich abzugrenzen: Nein zu sagen gehört nicht zu Ihren Stärken, denn Sie möchten es immer allen recht machen und bloß niemanden enttäuschen.
- Nicht loslassen können: Sie haben gerne alles unter Kontrolle und verlassen sich ungern auf andere.
- Für andere mitdenken: Sie haben nicht nur Ihren eigenen Terminplan im Kopf, sondern auch den Ihres Schatzes. Typischer Glaubenssatz: „Wenn ich es nicht mache, macht es ja keiner!“
- Nicht allein sein können: Sie fühlen sich in Gesellschaft wohler. Wenn Sie allein sind, wissen Sie nicht so recht, was Sie mit sich anfangen sollen.
Ursachen des Wendy-Syndroms
Wie kommt es nun dazu, dass eine Frau sich in ihrer Partnerschaft in der Mutterrolle verfängt? Das hängt immer auch von der individuellen Lebensgeschichte der Betroffenen ab – häufig haben sie jedoch folgende Punkte gemeinsam:
- Angst vor Ablehnung: Frauen mit Wendy-Syndrom haben Angst davor nicht geliebt oder zurückgewiesen zu werden. Die Ursachen dafür liegen meist in der Kindheit. Bereits früh mussten sie viel Verantwortung übernehmen, weil Mutter oder Vater z.B. (emotional) nicht verfügbar oder krank waren. Kindheitserfahrungen, in denen man gelernt hat, Liebe und Anerkennung durch Fürsorge und die Erfüllung der Bedürfnisse anderer zu erlangen, spielen eine entscheidende Rolle.
- Geringer Selbstwert: Um der Angst vor Ablehnung entgegenzutreten, bescheren Frauen mit Wendy-Syndrom ihrem:ihrer Partner:in ein besonders komfortables Leben und nehmen ihm:ihr jegliche Aufgaben ab. Häufig haben sie bereits in der Kindheit gelernt, dass Liebe an Bedingungen geknüpft ist („ich muss etwas leisten, um geliebt zu werden und etwas wert zu sein“)
- Harmoniesucht: Immer für Harmonie sorgen, negative Stimmung ausgleichen und nicht für sich einstehen, nur um Konflikte zu vermeiden – ebenfalls typische Anzeichen des Wendy-Syndroms.
- Care-Arbeit ist Frauensache: Dass Frauen viel öfter vom Wendy-Syndrom betroffen sind als Männer, liegt unter anderem auch am gesellschaftlichen Bild. Leider ist es noch immer selbstverständlich, dass Frauen sich um den Haushalt, die Kinder oder die betagten Eltern kümmern – oft zusätzlich zur Erwerbstätigkeit.
- Peter Pan selbst: Frauen, die das Verhaltensmuster seit ihrer Kindheit leben, ziehen häufig auch emotional unreife Männer an. Diese suchen eine Partner:in, die ihnen ein unbeschwertes Leben, frei von Verantwortung ermöglicht. Es ist jedoch auch möglich, dass sich Betroffene durch ihr Verhalten einen Peter Pan „heranzüchten“, der dank Ihnen ein äußerst bequemes Leben führt.
→ Die Prägungen aus der Kindheit, gepaart mit gesellschaftlichen Erwartungen und einem mangelnden Selbstwertgefühl, bilden ein komplexes Geflecht, welches zum Wendy-Syndrom führen kann.
Umgang mit dem Wendy-Syndrom: Das können Sie tun
Notbremse ziehen
Wenn Sie erst einmal erkannt haben, dass Sie Gefahr laufen auszubrennen, brauchen Sie dringend eine Auszeit davon, es ständig allen recht machen zu wollen. Teilen Sie sich Ihrem:Ihrer Partner:in mit und machen Sie ihm:ihr klar, dass Sie nicht mehr die alleinige Verantwortung für beide Leben übernehmen können.
Beziehung hinterfragen
Wenn Sie mit jemandem zusammen sind, der Sie nur allzu gerne den gesamten „mental Load“ übernehmen lässt und sich nicht einsichtig zeigt, wird es schwierig, dass sich die Beziehung und damit Ihr Wohlbefinden auf Dauer verbessert.
Grenzen setzen lernen
Lernen Sie, “Nein” zu sagen, ohne Schuldgefühle zu haben und kommunizieren Sie Ihre Grenzen klar und deutlich. Das ist reine Übungssache: Je öfter Sie es tun, desto leichter wird es Ihnen fallen!
Stärkung des Selbstbewusstseins
Zugegeben, der obige Punkt erfordert Standhaftigkeit, Selbstbewusstsein und ein ausgeprägtes Selbstwertgefühl – und diese Dinge wollen bei den meisten Menschen mit Wendy-Syndrom erst einmal gestärkt werden. Werden Sie sich wieder über Ihre eigenen Fähigkeiten und Talente bewusst und kreieren Sie Erfolgserlebnisse für sich.
Für Ausgleich sorgen
Setzen Sie sich an erste Stelle! Finden Sie wieder für sich heraus, was Ihnen Freude bereitet: Das kann ein neues Hobby sein, Erfüllung im Job oder jede Menge Selfcare . Indem jede:r Partner:in für sein Wohlergehen sorgt, bleibt die Beziehung ausgewogen.
Gleichberechtigte Aufgabenteilung
Eine Vereinbarung über die faire Verteilung der Verantwortlichkeiten im Haushalt und Alltag helfen dabei, eine Partnerschaft auf Augenhöhe zu führen.
Regelmäßige Paargespräche
Richten Sie feste Zeiten für Gespräche in ablenkungsfreier Umgebung ein – vielleicht auch im geschützten Raum einer Paartherapie. Das gewährleistet, dass beide Partner:innen gleichermaßen ihre Bedürfnisse und Wünsche ausdrücken können. Ein regelmäßiger Austausch stärkt das gegenseitige Verständnis und die Verbindung.
Fazit
Um mit dem Wendy-Syndrom umzugehen, ist es entscheidend die Ursachen zu erkennen und zu adressieren. Dieser Prozess kann für Betroffene zwar herausfordernd sein, bietet aber auch die Chance ein Muster zu durchbrechen, das auf Dauer unzufrieden und krank machen – und letztlich auch die Beziehung kosten kann.
Aufgrund unserer Praxiserfahrung können wir von Liebling + Schatz sagen, dass es sich in den meisten Fällen lohnt diesen Weg zu gehen – sowohl als Paar oder als Einzelperson. Es ist ein Weg, der darauf abzielt, die eigene Selbstwahrnehmung zu stärken und zu einem ausgewogenen Verhältnis von Geben und Nehmen in Beziehungen zu finden. Wenn Sie unsere Unterstützung wünschen, kontaktieren Sie uns!
Sie möchten gerne mehr über eine Paartherapie bei uns erfahren? Dann schauen Sie gerne einmal hier vorbei.
Foto-Credit: Priscilla du Preez / Unsplash